Bali und ich – Eine Hass-Liebe, die mich täglich herausfordert!

Es gibt Tage, da sitze ich hier mit meinem frisch gepressten Saft, in meiner sogenannten „Luxus Villa“ und spüre all das, was uns unzählige Influencer über Bali erzählen. Den Komfort, den man sich hier vermeintlich erlauben kann, die spirituelle Energie, die durch die Luft zu fließen scheint, und die herzliche Freundlichkeit der Balinesen. 

Ich fahre durch die verwinkelten Straßen und atme die Düfte von Räucherstäbchen ein, die aus den kleinen Tempeln aufsteigen. Überall sehe ich liebevoll arrangierte „Canang Sari“ – die kleinen Opfergaben aus Bananenblättern – und beobachte die Vorbereitungen für die täglichen Zeremonien. Menschen sitzen in Gemeinschaft zusammen, direkt auf dem warmen Steinboden, lachen herzlich miteinander, teilen ihr Essen und erzählen Geschichten. Es ist diese authentische Verbundenheit, die mich jedes Mal berührt.

Als mein Mann und ich seinen Roller vom Mechaniker abholen, nennt er uns ganz bescheiden seinen Preis – umgerechnet sechs Euro für mehrere kleine Reparaturen. Ich gebe ihm ein großzügiges Trinkgeld und sein strahlendes Lächeln erhellt nicht nur seinen Tag, sondern auch meinen. Diese Momente

Später fahre ich durch die grünen Reisfelder, spüre die sanfte Brise in meinem Haar und lasse die Seele baumeln. Der Weg zu meinem Lieblings-Eco-Café führt durch eine Postkartenlandschaft, die mich immer wieder staunen lässt. Meine Kids sind mit Holzschnitzerei beschäftigt und treffen danach noch auf Freunde, um verstecken im Reisfeld zu spielen….

Nach einer entspannenden Massage lasse ich den Tag in völliger Ruhe ausklingen… An solchen Tagen liebe ich Bali von ganzem Herzen. Weil ich es heute geschafft habe, wegzuschauen.

Die Schattenseiten des Paradieses

Aber da ist auch die andere Seite der Medaille, über die selten jemand spricht.

Diese sogenannte „Luxus Villa“ muss äußerst sorgfältig ausgewählt werden. Ich würde sogar behaupten, dass 80% aller Gebäude hier ernsthafte Schimmelprobleme haben – wenn nicht sogar mehr. Und damit meine ich nicht die üblichen Herausforderungen, die man nun mal hat, wenn man in den Tropen lebt. Ich spreche von strukturellen Problemen, die durch mangelhafte Bauweise entstehen und absolut nicht in der Hand eines Mieters liegen.

Mittlerweile werden hier auf Bali westliche Preise für die Villen verlangt, aber westliche Standards in puncto Sauberkeit und Ausstattung kannst du bei weitem nicht erwarten. Leider erleben wir derzeit auf Bali eine Welle intensiver Bautätigkeiten und Investitionen. Obwohl die richtigen Investitionen natürlich ihren Platz haben, werden dabei leider häufig die natürliche Schönheit und die wertvollen Ressourcen der Insel nicht ausreichend beachtet. Stattdessen sprießen immer mehr Betonbunker aus dem Boden, wo einst Reisfelder waren, und drohen, den unverwechselbaren Charme der Insel zu erdrücken. Das ist echt Schade!

Oft fühle ich mich wie ein wandelnder ATM. Erst wenn du eine Weile hier lebst und die Sprache etwas sprichst, verstehst du, dass es überall “Bule-Preise“ (Ausländerpreise) und völlig andere Preise für Einheimische gibt. Mein Go-Car-Fahrer wiederholt wie ein Mantra: „You five kids, you rich. You rich. Money, money.“ Was sieht er, wenn er in den Rückspiegel blickt? Eine Mutter mit fünf Kindern oder einen wandelnden Geldschein? 45 Minuten brauchen wir für 8 Kilometer – der Verkehr ist einfach zu viel für die völlig überforderte Infrastruktur. Das ist Alltag hier…

Neulich bin ich hinten auf dem Roller mitgefahren, durch die Reisfelder in ein kleines traditionelles Dorf. Was man dabei sieht bricht mir jedes Mal das Herz: Überall liegt Müll. Wirklich überall. Der ursprüngliche Dschungel ist zwischen den Bäumen kaum noch zu erkennen – der Boden ist bedeckt von Müllbergen verschiedenster Art.

Ein Stück weiter muss ich meinen Mund mit meinem T-Shirt bedecken und die Luft anhalten. Ein Balinese hat seinen gesammelten Müll zusammengetragen und angezündet. Wo soll er auch hin mit all dem Plastik? Es gibt keine funktionierenden Entsorgungssysteme für alle, also bleibt nur das Verbrennen – mit allen gesundheitlichen Konsequenzen für Mensch und Umwelt. Die wissen es einfach nicht besser…

Plötzlich muss ich anhalten. Ein Hund liegt am Straßenrand, er hat kaum noch Fell und kratzt sich bereits blutig. Trotzdem sieht er gut genährt aus. Ich kontaktiere sofort eine lokale Tierschutzorganisation. Der Hund ist bereits bekannt und in Behandlung, erfahre ich. Er hat sogar einen Besitzer. Wie passt das zusammen? Leider gehören all diese Hunde in teilweise erschreckenden Zuständen genauso zum Straßenbild von Bali wie die wunderschönen „Canang Sari“-Opfergaben. 

Abends sitze ich auf der Terrasse, als meine Kinder völlig aufgebracht nach Hause kommen. Sie halten drei winzige Babykatzen unter dem Arm, die sie auf einem Müllberg gefunden haben, als sie eigentlich nur mit Freunden draußen spielen gehen wollten.

Dieser Tag klingt nicht entspannt aus. Gar nicht. Während ich die kleinen Kätzchen versorge und nach einer Lösung suche, frage ich mich: Was mache ich hier eigentlich? An solchen Tagen hasse ich Bali – und ich kann nicht mehr wegschauen!

Bali und ich, wir führen eine komplizierte Beziehung. Es ist diese Hass-Liebe, die mich täglich herausfordert und zum Nachdenken bringt. Denn die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den Instagram-perfekten Sonnenuntergängen und den versteckten Realitäten des Alltags.

Vielleicht ist es genau das, was dieses Land so faszinierend und gleichzeitig frustrierend macht: Es zeigt mir täglich, dass das Leben niemals nur schwarz oder weiß ist, sondern immer in unzähligen Grautönen existiert.

Was denkst du darüber? Kennst du auch solche Orte, die gleichzeitig dein Herz berühren und dich zur Verzweiflung bringen können?

Von Herzen, 

Denise 

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